Handwerkerin, Beitragsbild https://meisterschreibstube.de/als-frau-am-bau/ Mit freundlicher Unterstützung von https://pixabay.com/photos/construction-helmet-colorful-1160260/

Als Frau am Bau

Handwerkerin sein? Noch immer fragen sich viele junge Frauen, ob eine Ausbildung im Handwerk für sie der richtige Weg ist. Dieser Artikel berichtet aus erster Hand von den Erfahrungen einer Auszubildenden, dem Wandel im Handwerk im Umgang mit Frauen und ihrer persönlichen Entwicklung als Handwerkerin.

Als Frau am Bau

Dass ich eines Tages in fast schon schwindelerregender Höhe auf der sechsten Gerüstetage stehe und als Malermeisterin über die Dächer der Stadt blicke, hätte ich als Jugendliche nicht zu träumen gewagt.

Der Blick nach unten schreckt mich lange nicht mehr – mit einem Schmunzeln denke ich an meine allererste Gerüstarbeit an einer Fassade zurück. An dem Tag war es windig und das Gerüst schwankte etwas.

Als ich endlich, mit viel Angst und Aufregung im Herzen auf der obersten vierten Lage ankam, wurde ich von einer inneren Panik ergriffen. Schlagartig klammerte ich mich, als ginge es um mein Leben an der Sicherungsstange fest. Nichts ging mehr.

Ein erfahrener Bauarbeiter stellte sich hinter mich und löste mit seinen großen, rauen Händen die meine, während er sagte: „Komm, wir bringen dich erst mal runter“, brummte er. Mich umarmend schob er mich zur Gerüstluke, unter der ein weiterer Mann stand.

Gemeinsam halfen sie mir beim Abstieg vom Gerüst. Wieder festen Boden unter den Füßen habend, war es mir peinlich, solch einen Zinnober veranstaltet zu haben. Aber ich wurde beruhigt: „Den Umgang mit der Höhe muss man lernen.“

Noch heute bin ich diesen beiden Männern sehr dankbar für ihre verständnisvolle Reaktion, die sicherlich nicht selbstverständlich war. Hätten sie gelacht, hätte ich nicht den Mut gehabt, jeden Tag eine Gerüstlage mehr zu erklimmen.

Inzwischen habe ich viel erreicht, doch der Weg als Handwerkerin verlief alles andere als gradlinig. Im Gegenteil, es gab etliche Herausforderungen zu bewältigen und es gab regelrechte Tiefpunkte zu überwinden.

Sich in eben jenen schweren Momenten an die wahnsinnige Schönheit zu erinnern, die man mit den eigenen Händen geschaffen und mit der man so vielen Menschen eine wahre Freude geschenkt hat, war die größte Hürde auf meinem Weg durchs Malerleben.

Natürlich stellt sich jetzt jeder die Frage: Warum ich diese ganzen Unannehmlichkeiten auf mich genommen habe und was überhaupt meine Ausgangsmotivation war, diesen anstrengenden, damals männerdominierten Beruf erlernen zu wollen. Was macht es so spannend, eine Handwerkerin zu sein?

Ganz einfach: Für mich gab es nie etwas Schöneres als Farbe. Hinzu kam, dass ich, sobald ich das erste Mal einen Stift halten konnte, das Zeichnen geliebt habe und Teile meiner jugendlichen Freizeit in einer Zeichenschule verbrachte.

Den Bericht über die Sixtinische Kapelle in Rom schaltete ich zufällig ein, während ich gelangweilt durch das Fernsehprogramm zappte. Schlagartig war mir klar: Die möchte ich restaurieren! Da war es nur natürlich, dass ich mich dem Malerberuf mit Herzblut verschrieb.

Stift zu sein ist schwer – bietet aber so viel mehr

Als ich 1996 eine Lehrstelle als Maler- und Lackiererin suchte, schien es ein fast unmögliches Unterfangen zu sein. Die meisten Betriebe argumentierten mit den zusätzlichen Umkleide- und Toilettenräumen sowie der Schwere der Arbeit. Damals war eine Handwerkerin eine Rarität.

Doch ich war felsenfest entschlossen und mir absolut sicher, dass es genau der Beruf war, den ich machen wollte. Ich gab nicht auf und tatsächlich fand ich eine Firma, die bereits eine Gesellin hatte und bei der ich als angehende Handwerkerin starten durfte.

Heute hat sich im Bewusstsein der Betriebe und der männlichen Kollegen viel getan. Das Geschlecht ist inzwischen kein Ausschlusskriterium mehr und es gibt immer mehr Frauen, die ihre handwerkliche Geschicklichkeit täglich unter Beweis stellen. Mittlerweile gehören Handwerkerinnen zum Berufsalltag dazu.

Einst ein rauer Ton

Als junger Stift – heute heißt es Azubi – war ich sehr unsicher. Alles war fremd und neu und man traute sich selbst ganz vieles bisher nicht. So ging es mir zumindest. Hinzukam, dass man wirklich nur von kernigen Männern umgeben war.

Männer untereinander schlagen einen anderen Ton an. Ich musste lernen, mit vielen derben Sprüchen umzugehen und zu begreifen, dass vieles nicht so ernst gemeint war, wie es bei mir ankam.

„Mädel steig mal noch ’ne Sprosse höher, wir wollen deinen Arsch sehen“, war nur eine der Aussagen, wo ich nicht wusste, wie ich reagieren sollte. Aber es gab auch damals schon wahre Gentleman auf der Baustelle.

Diese Gentlemen halfen auch, mal eine große Menge an schweren Farbeimern und Spachtelmassesäcken auf dem Gerüst zu verteilen, oder drückten einem im Sommer ein kühles Eis in die Hand.

Nichtsdestotrotz bildete man eine Ausnahme – junge Mädchen und Frauen auf der Baustelle waren sehr selten. Ich erinnere mich: dass wir drei Mädels in der Berufsschule waren. Eine wollte Lackiererin werden, die andere den väterlichen Malerbetrieb übernehmen und ich.

Ich wollte einfach Malerin sein. Eine Handwerkerin durch und durch.

Schwere Arbeit

Als ich in den Beruf einstieg, brachte ich zarte 52 kg auf die Waage. Nur ein halbes Jahr später hatte ich 10 kg mehr auf den Rippen. Der Vorteil des höheren Gewichts war, dass ich nun die schweren Farbeimer, Säcke und Gerüstteile ohne Hilfe tragen konnte. Eine Handwerkerin muss anpacken können.

Viele denken, dass der Malerberuf ein leichter Beruf sei. Doch es ist nach wie vor ein Beruf der Baubranche und der erfordert körperliche Kraft und auch Ausdauer. Einige Arbeiten sind wirklich hart. Den ganzen Tag Decken spachteln, schleifen oder tapezieren – alles über Kopf.

Material auf vier- oder fünflagige Gerüste bringen, den Witterungen ausgesetzt sein oder mit Lösemitteln und anderen Gefahrstoffen umgehen. Nicht immer leicht für die Handwerkerin und die Handwerker.

Damals gab es noch den „guten“ Abbeizer, den man nur mit Atemmaske ausgehalten hat, der dafür aber einen Top-Job gemacht hat. Oder Metalluntergründe mit Säure abwaschen, Ausblühungen im Mauerwerk und noch vieles mehr.

Meine Belohnung war stets die Zufriedenheit und der Stolz, den ich empfand, wenn ich am Ende eines anstrengenden Tages gesehen habe, was ich mit meinen Händen alles geschafft habe. Der Maler macht den Bau schön und ist der Letzte, der geht und der das Endergebnis sieht.

Hygieneherausforderung am Bau

Einen eigenen Umkleideraum habe ich nie benötigt, da ich bereits in Arbeitskleidung zur Baustelle gekommen bin. Viel schwieriger gestaltete sich das Toilettenbedürfnis. Bei Privatkunden fast nie ein Problem. Auf vielen anderen Baustellen schon.  

Teilweise gab es gar keine Toiletten. Anfangs versuchte ich, den ganzen Tag auszuhalten und kaum etwas zu trinken. Manchmal bin ich zu nahe gelegenen Tankstellen oder Bäckereien gefahren oder habe bei den Nachbarn geklingelt.

Gab es eine mobile Toilette, stellte diese oftmals eine große Überwindung dar. Der Geruch im Sommer war das eine, aber wenn sie nicht geleert wurden und bis unter den Rand voll waren oder total verschmiert mit Fäkalien – da brauchte man Mut oder hat ausgehalten.

Nach wie vor kommt man zwischendurch immer noch auf Baustellen ohne Toilette. Die blauen Kabinen hingegen sind inzwischen erheblich sauberer und hier und da findet man sogar welche mit Waschbecken und Heizung – das Luxusmodell sozusagen. Viel angenehmer als Handwerkerin.

Männlicher Umgang, der abfärbt?

Mit Männern zusammenzuarbeiten, macht richtig viel Spaß! Gibt es ein Problem, wird Tacheles geredet und danach ist Ruhe und alles wieder gut. Ich mag die direkte Art und ja, diese habe ich für mich selbst übernommen. Eine Handwerkerin – ein Wort.

Sicherlich eckt man damit immer mal an, aber damit kommt man klar. Ein patentes und selbstbewusstes Auftreten gibt es obendrauf und als Schmankerl: Man traut sich, anzupacken und lässt sich nicht so schnell abschrecken: Handwerkerin sein fetzt!

Nach wie vor ein wundervoller Beruf

Meine Lehrzeit war bestimmt von vielen Höhen und Tiefen, doch ich hatte stets Freude an meiner Arbeit, die ich tat. Das hat sich mein ganzes Leben hindurch nie geändert und ich bin nach wie vor froh und dankbar, dass ich genau diesen wunderbaren Beruf ergriffen habe.

Ich bin als Handwerkerin viel herumgekommen und habe Erfahrungen im Osten, Süden und Norden der Republik sammeln können. Überall bin ich auf spannende Menschen und Arbeiten getroffen. Jede Erfahrung hat ihren ganz eigenen Reiz.

So habe ich immer gerne mit Privatkunden gearbeitet. Es ist so abwechslungsreich und individuell, worin allerdings auch die Herausforderung liegt, denn man muss auf jeden Menschen einzeln eingehen und ihm die ideale Gestaltung liefern.

Aber auch restauratorische Arbeiten haben ihren ganz eignen Charme. Es gleicht einem Krimi herauszufinden, wie das Original aussah und es so perfekt wie möglich wiederherzustellen. Die vielen alten Techniken kennenzulernen – ein Feuerwerk an Wissen! Ein Portfolio für jede Handwerkerin!

Die Betreuung von Musterhäusern hingegen ist sehr speziell. In diesem Bereich soll der potenzielle Kunde verführt werden und da werden keine Kosten gescheut. Meine teuerste Tapete, die ich verarbeitet habe, lag bei über 100 € pro Meter! Da benötigte man Nerven!

Großbaustellen hingegen benötigen andere Eigenschaften, um ihnen Herr zu werden. Es ist viel Trubel, den man im Überblick behalten muss. Plötzlich muss man Nachträge schreiben und Bedenken anmelden.

Hingegen dazu ist es eine recht gemütliche Aufgabe, eine Sozialwohnung herzurichten. Man übt überwiegend dieselben Handgriffe aus und die größte Herausforderung besteht darin, wenn mal ein Termin sehr knapp gelegt wurde, diesen trotzdem einzuhalten.

Es gibt so viele Möglichkeiten, welchen Weg man als Handwerkerin beschreiten kann. Einige interessante Ideen findest du hier.

Ein Malerleben

Man erlebt unglaublich vieles, dass einen prägt. Ganze Bücher voller kurioser, schöner und empörender Anekdoten könnte man über seine Erlebnisse am Bau schreiben. Ich glaube, als Handwerkerin begegnen einem ein Quäntchen mehr kurioser Erlebnisse.

Schlussendlich ist es so: Wenn man für seinen Beruf brennt, gibt es nichts Schöneres, als damit seine Lebenszeit zu verbringen. Die beste Entscheidung meines Lebens. Es lebe das Handwerk mit seinen Handwerkern und Handwerkerinnen.

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