fikitv Malermeisterbetrieb Herberts Mit freundlicher Unterstützung durch www.pixaby.com

Begleite den Betrieb auf einer spannenden Zeitreise

Eine besondere Zeitreise im Handwerk – auch deine?

Dieser Artikel ist für alle, die sich fragen, warum es so schlimm ist, wenn die kleinen und mittelständischen Handwerksbetriebe aus der Wirtschaftslandschaft Deutschlands verschwinden.

Immerhin kann die Industrie ja alles herstellen und erzeugen – oder etwa doch nicht?

Was ist das Besondere an einem Handwerksbetrieb?

Warum ist es immens wertvoll, wenn dieser Betrieb schon seit vielen Jahren existiert?

Welche Vorteile bietet ein tradtioneller Handwerksbetrieb für Auszubildende, Mitarbeiter/innen und Kunden?

Der Artikel enthält folgende, spannende Abschnitte:

Dies ist die fiktive Geschichte eines traditionsreichen Handwerksbetriebes irgendwo in Deutschland, die dir spannende und wichtige Fragen beantwortet:

Hast du auch manchmal Sorgen und Nöte, wie du deinen Betrieb durch Krisen hindurchsteuern kannst, ohne aufzugeben?

Möchtest du als Mitarbeiter und Mitarbeiterin wissen, welche eigenen Verwirklichungsmöglichkeiten du im Betrieb hast?

Schwankst du als junger Mensch noch, ob du wirklich eine Handwerkslehre machen solltest?

Oder bist du einfach nur geschichtlich am Handwerk interessiert?

Auf jede einzelne Frage wirst du eine Antwort finden und vielleicht findest du genau das, was du gesucht hast, auch wenn keine der obigen Fragen auf dich zutrifft.

Begib dich auf eine spannende Zeitreise durch das Handwerk und finde Parallelen zu dir selbst!

 

Der Malermeister eröffnet seinen Traum – seinen Handwerksbetrieb!

1868 wurde die Gewerbefreiheit eingeführt, nun durfte ein Jeder ohne Nachweis einem Handwerk nachgehen. Als Alois Herberts 1870 seinen Meisterbrief in den Händen hielt, stand für ihn fest: Ich eröffne meinen eigenen Handwerksbetrieb.

Der Zwang der Gesellenwanderung wurde bereits 1853 abgeschafft. Alois war zuvor freiwillig 6 Jahre auf Wanderschaft gewesen und hatte jetzt das Bedürfnis, sich niederlassen zu wollen.

Im goldenen Oktober 1872 eröffnete der 36-jährige Alois seinen Handwerksbetrieb unter dem Namen: Malermeister Alois Herberts in der Handwerkergasse 7 in Heinzelmannhausen.

Damals war es üblich, dass man im selben Gebäude auch lebte. So befand sich im Obergeschoss die Wohnung, die er mit seiner bezaubernden Frau Martha und dem Neugeborenen Franz bewohnte.

Das Untergeschoss und der Hinterhof dienten als Lagerstätte für alle nötigen Materialien und Werkzeuge.

Anfangs half er überwiegend bei einigen Bauern des Ortes bei der anstrengenden Feldarbeit mit. Das war damals nicht ungewöhnlich. Zu den damaligen Zeiten war es keine Seltenheit, dass man seinen Handwerksbetrieb eher nebenher führte. Die Familie musste ernährt werden und die Zeiten waren nicht leicht.

 

Ein Handwerksbetrieb bekommt Flügel

Mit der Zeit sprach es sich herum, dass der Handwerksbetrieb von Alois wirklich gute Malerarbeit leistete. Immer mehr Menschen wollten, dass er ihnen ihr Zuhause schön macht. Jetzt war es an der Zeit, sich Unterstützung für seinen Handwerksbetrieb zu suchen.

Die meisten Gesellen waren einfach noch zu teuer, aber ein Malerlehrling, der Lehrgeld zahlte – das konnte sich der Malermeister gut vorstellen. Seine Frau war mit der Lösung einverstanden. Somit ließ Alois verlauten, dass er einen Lehrling für seinen Handwerksbetrieb suche.

Bereits eine Woche später kam der 13-jährige Otto vorbei und fragte nach einer Lehrstelle. Auch wenn es seit einigen Jahren nicht mehr zu den Lehrbedingungen gehörte, so betonte er, aus einer mittelständischen Familie zu kommen und ehelich geboren zu sein.

Bei dem guten Leumund nahm Alois ihn gerne als Lehrling auf. Otto kam aus dem einige Tagesreisen entfernten Ort Nachbarstadt. Den ganzen Weg war er allein gelaufen. Mit seinem Lehrvertrag zog er nun bei der Familie Herberts ein.

Er durfte die Kammer unter dem Dach benutzen, in der Meister Herberts ihm ein Bett zurechtmachte. Essen, Getränke und Kleidung erhielt Otto ebenfalls von seinen Lehrherren. Im Gegenzug musste er Lehrgeld an seinen Lehrherren zahlen und unterstützte so auch finanziell den Handwerksbetrieb seines Lehrherren.

 

Vom Fleiß der Handwerker

Otto war sehr bemüht, mit anzupacken und viel zu lernen. Das gefiel Alois zwar, aber durch die Unerfahrenheit von Otto musste er beständig auf ihn achten, dass nichts schiefging.

Obwohl die wirtschaftliche Lage durch den deutschen Börsenkrach 1873 und den Anstieg günstigerer ausländischer Importgüter stark verunsichert war, schritt Alois entschlossen voran. So entschloss er sich dazu, seinen Handwerksbetrieb, durch einen tatkräftigen und erfahrenen Gesellen zu erweitern.

Herbert war mit seinen 21 Jahren der passende Geselle und erhielt eine Anstellung. Jetzt musste Otto sein Zimmer unterm Dach mit dem Gesellen teilen.

Aus Otto wurde mit der Zeit ein guter Geselle, der seinen Lohn wert war. Die ersten Gesellenjahre blieb Otto noch bei Alois im Handwerksbetrieb, bis er auf einem Dorffest drei Orte weiter seine Hildegard traf, die er ein Jahr später zur Frau nahm und zu ihr auf den Hof zog.

Um den Verlust von Otto zu ersetzen, stellte Alois kurz darauf den Junggesellen Bertram ein, der auf seiner Walz im Handwerksbetrieb von Alois Station machte. Bertram war 20 Jahre alt.

 

Nachwuchsfreuden im Handwerksbetrieb

1886 war Franz nunmehr 14 Jahre alt. Da er seinen Vater immer bewundert hatte, wollte er selbst auch gerne Maler werden.

Für Alois war es ein sehr freudiger Tag, als er seinen Sohn als Lehrling in seinem Handwerksbetrieb aufnehmen konnte. Er brachte ihm alles bei, was er wusste.

Auf diesem Wege konnte das alte Wissen, das kaum noch gebraucht wurde, vermittelt werden und sich mit den neuen, modernen Arbeitsweisen und Materialien ergänzen.

1891 verstirbt Alois, als er beim Streichen eines Fensters hinausstürzt und auf dem Kopfsteinpflaster aufschlägt. Er wurde nur 55 Jahre alt.

Sein Sohn Franz ist erst 19 Jahre alt und führt mithilfe des Altgesellen Herbert, der inzwischen 39 Jahre alt ist, den Handwerksbetrieb weiter. Ohne Herberts Unterstützung hätte Franz nicht bereits einige Jahre später seine Meisterausbildung erfolgreich abschließen können.

Einige Jahre später, es ist 1896, verstirbt Martha Herberts im Alter von 57 Jahren an einer schweren Lungenentzündung. Fortan lebt Franz mit seinen Gesellen Herberts und Bertram im Haus.

 

Veränderung und Wandel beleben die Handwerksbetriebe

Im Jahr 1897 wurde die Handwerksrolle erfunden. Wer einen Handwerksbetrieb führen und ausbilden wollte, musste sich dort eintragen lassen. Diese Einrichtung sollte dem Schutz des Handwerks und seiner Meister dienen.

Auf dieser Basis entstanden die ersten Handwerkskammern mit klarer Aufgabe: Schutz des mittelständischen Handwerks und des Meisterwesens. Durchgesetzt wurde dies mit dem Zunftzwang, den jeder Handwerker nun unterlag.

Künftig sollten nur noch nachweisliche Handwerksmeister die Ausbildung und die Betriebsführung ausführen.

Im selben Jahr wird der Handwerksbetrieb Malermeister Alois Herberts 25 Jahre alt. Ein wunderschönes Jubiläum, das Franz darin bestärkt, den alteingesessenen Betrieb, der so beliebt bei den Menschen ist, in eine neue Zukunft zu führen.

Dazu möchte er den Handwerksbetrieb mit vier weiteren Gesellen erweitern und dazu einen Lehrling ausbilden.

Durch das Wachstum des Ortes fand er alsbald die passenden Handwerker für seinen Betrieb: Rainer 28 Jahre, Wilhelm 31 Jahre, Friedrich 43 Jahre und den 23-jährigen Dietmar. Lehrling wird der 15-jährige Günther.

Da das Haus nicht genügend Platz für alle Männer bietet, handelt Franz mit Karl, dem der nahe gelegene Wirtshof gehört, günstige Preise für seine Leute aus. Dabei lernte er Wilma kennen.

1899 mussten auch die Kleinstgewerbebetriebe in die Handwerkskammern eintreten. Eine Wahl hatte Franz nicht.

Nun begannen sich Gesellen-Gewerkschaften zu bilden, die den Arbeitgebern arge Schwierigkeiten durch ihre kontinuierliche Streikfreudigkeit und Konfliktbereitschaft, bescherten.

Zu ihnen zählten auch zwei Gesellen von Franz. Friedrich und Rainer waren ganz vorn bei der Gewerkschaftsbewegung dabei. Erhöhte Löhne und geringer Arbeitszeiten waren ihr Ziel.

Nachdem absehbar war, dass die Gewerkschaften sich nicht einfach in Luft auflösen würden, traten auch Wilhelm und Dietmar mit ein. Auch Günther, der inzwischen Junggeselle war, machte bei den Gewerkschaften mit.

1900 heiratete der 27-jährige Franz die fünf Jahre jüngere Wilma. Zwei Jahre später brachte sie ihre Tochter Waltraud zur Welt und im Jahr darauf erblickte Sohnemann Peter das Licht der Welt.

Im Jahr 1908 wurde der kleine Befähigungsnachweis eingeführt. Um diesen zu erhalten, musste man eine Meisterausbildung vorweisen. Dadurch sollte die hohe Qualität bei der Ausbildung gewährleistet werden.

Trotz aller Widrigkeiten gelang es dem inzwischen 35-jährigen Franz einen tollen mittelständischen Handwerksbetrieb zu halten. Die kleine Familie wuchs und gedieh.

Seine Gesellen waren zufrieden und bleiben gerne. Friedrich, der inzwischen 54 Jahre alt war, betreute nur noch die kleinen Aufträge.

1906 verließ Friedrich den Handwerksbetrieb und verstarb krankheitsbedingt mit 60 Jahren zu Beginn des Jahres 1907 an einer Sepsis.

 

Handwerksbetriebe in Angst und Verzweiflung

Als 1914 die Inflation in Deutschland begann, als die Steuereinnahmen für den Krieg aufgewendet wurden.

In dieser Zeit gab es bei vielen Gütern Engpässe, die zu Ersatzprodukten zwangen. So wurde Kaffee statt aus der Kaffeebohne aus Brennnesselfasern erzeugt. Der Schwarzmarkt erfuhr einen ungeahnten Aufschwung.

1920 entschloss sich der inzwischen 17-jährige Rumtreiber Peter, das Malerhandwerk von seinem Vater lernen zu wollen. Seine Schwester Waltraud war bereits seit einem Jahr mit dem Großbauern Marvin verheiratet und hochschwanger mit Zwillingen. Die Geburt fand elf Tage vor dem Weihnachtstag statt.

1922 – Der Handwerksbetrieb von Malermeister Alois Hermann besteht nun seit 50 Jahren und verkündet voller Stolz sein Jubiläum!

Mit dem Friedensvertrag von Versailles wurden die Deutschen zu Reparationszahlungen an die Siegermächte verpflichtet.

Da die Reichsregierung weder Ersatzleistungen noch Reparaturzahlungen aufbringen konnte, wurde die Ruhr von französischen und belgischen Truppen besetzt.

Reichskanzler Wilhelm Cuno rief zum sogenannten „Ruhrkampf” auf. Er forderte einen passiven Widerstand gegen die Besetzung. Dafür versprach er allen einen finanziellen Ausgleich. Um diesen jedoch leisten zu können, musste die Notenpresse angeschmissen werden.

In atemberaubender Geschwindigkeit verbreitete sich die Geldschwemme in Deutschland, wodurch die Hyperinflation ausgelöst wurde. Zum Schluss entsprach 1 US-Dollar ungefähr 4,6 Billionen Mark.

Die Inflationswelle 1923 sorgte dafür, dass Franz zwei seiner langjährigen und geschätzten Gesellen entlassen musste. Wilhelm war 57 Jahre alt und Rainer bereits 54 Jahre. Sie wurden somit zeitgleich arbeitslos. Wer sollte die alten Männer einstellen?

Lediglich Dietmar mit seinen 49 Jahren ließ sich darauf ein, auf einen Teil seines Lohnes zu verzichten, um den Handwerksbetrieb aufrechtzuerhalten. Franz selbst war mittlerweile im Alter von 58.

Ein Brot kostete nun mehrere Milliarden Mark. Die Menschen brachten Wäschekorbweise das Geld zum Bäcker. Güterengpässe und die Hyperinflation hatten die Bevölkerung fest in ihren Klauen.

 

Handwerk als Lebensretter in den Wirren des 2. Weltkrieges

1925 hat sich die Lage etwas erholt und Franz kann drei Gesellen einstellen. Jakob, der 21 Jahre alt ist und dessen Nachbarn Ludwig, der mit 2u Jahren etwas älter ist, sowie der 29-jährige Erwin sollen den Betrieb wieder vergrößern. Der 51-jährige Dietmar führt als Polier die Baustellen.

Die Weimarer Republik versuchte 1927 den Betrieben neuen Mut zu machen und das Handwerk mit vielen Zukunftsvisionen und -gedanken zu stärken. Franz ist inzwischen 62 Jahre und übergibt seinem Sohn Peter vertrauensvoll den familiengeführten Handwerksbetrieb.

Peter ist ein Kind seiner Zeit und begeistert sich in der Anfangszeit des Zweiten Weltkriegs für die Ideale der Nationalsozialisten. Das Handwerk avanciert zu einem hoch angesehen Berufsstand. Das machte auf viele Handwerker und die Handwerksbetriebe enormen Eindruck.

In dieser neuen Aufbruchsstimmung lernt Peter auf einer Versammlung der NSDAP die 23-jährige Elke kennen. Im Sturm erobert sie sein Herz. Bereits zwei Jahre später heiratet das Paar. Im Jahr 1932 kommt der Sohn Heiner auf die Welt.

Zügig wurden 1933 die Handwerksorganisationen vom „Reichsverband des Deutschen Handwerks” zu dem „Reichsstand des Deutschen Handwerkes” transferiert.

Franz stirbt 1934, indem er friedlich einschläft und nicht mehr aufwacht. Seine Frau Wilma folgt ihm ein halbes Jahr später. Sie starb vermutlich an gebrochenem Herzen.

Im Jahr 1935 wird der Meisterbrief für die Führung eines Betriebes zur Pflicht. Zwar wird eine kurze Übergangszeit eingeräumt, aber von nun an ist jeder Handwerksbetrieb in Meisterhand und wurde fortan als „Großer Befähigungsnachweis“ betitelt.

Schon ein Jahr später, nämlich 1936, muss Peter sich mit der Buchführung für Handwerksbetriebe herumplagen, diese wird ab sofort zur Pflicht. Die Folge dieser Buchführungspflicht war es, dass alle Handwerksbetriebe, die nicht genügend Umsatz brachten, erbarmungslos geschlossen wurden.

Auch Peter zitterte um seinen kleinen Handwerksbetrieb und hoffte, dass seine Einnahmen zumindest als „ausreichend” gelten würden.

1937 wird der 33-jährige Jakob von NS-Soldaten deportiert, da er jüdischen Glaubens ist. Machtlos muss Peter mitansehen, wie sein geschätzter Geselle in den Lkw gezwungen wird. Erst drei Jahre nach dem Krieg taucht Jakob in Israel wieder auf.

Peters inzwischen 17-jährigen Neffen müssen dringend in „für die Heimat wichtigen Berufen“ untergebracht werden, damit sie nicht für die Kriegsfront eingezogen werden. So übernimmt Hans den elterlichen Bauernhof mit seiner Milchwirtschaft und der 18-jährige Werner schreibt sich als Malerlehrling bei seinem Onkel Peter in den Handwerksbetrieb ein.

Hinzukam die „Verordnung zur Abschaffung der Juden aus der deutschen Wirtschaft”. Ein herber Schlag, der rund 1000 Betriebe umgehend zur Geschäftsaufgabe zwang.

Doch die Einberufung der Männer Deutschlands macht vor niemanden halt. So schrumpft die Zahl der Handwerksbetriebe unaufhörlich weiter.

Schon 1939 waren mehrere Zehntausend Handwerksbetriebe aus Rentabilitätsgründen und Einbeziehung der Handwerker an die Front zwangsweise geschlossen worden.

Auch der inzwischen 32-jährige Ludwig blieb Ende September für die Bombardierung Warschaus auf dem Schlachtfeld zurück.

Peter hatte tatsächlich Glück. Sein kleiner Betrieb war noch immer vor Ort und konnte sich weiterhin halten. Allerdings war es ein hartes Los und die ganzen Widrigkeiten verbesserten sich auch nicht, als 1942 und 1943 die Handwerkskammern in Gauwirtschafts-Kammern integriert wurden.

Mit einem Mal gab es weder die Kreishandwerkerschaften noch die Innungen. Ihr Status der öffentlich-rechtlichen Körperschaft wurde einfach aufgelöst.

Nach den schwierigen Kriegsjahren zieht Peter im November 1945 eine Betriebsbilanz:

Er ist inzwischen 41 Jahre alt.

Seine Frau Elke ist 38.

Sein zwölfjähriger Sohn leidet aktuell an einer Blutvergiftung und es ist fraglich, ob er sich wieder erholen wird.

Der 48-jährige Erwin und sein Neffe Werner, der 25 Jahre alt ist, halten den Handwerksbetrieb bestmöglich am Laufen.

Peter kann stolz sein, dass er trotz der unwirklichen Umstände nicht gezwungen war, aufzugeben. Und auch sein Sohn Heiner ist ein Kämpfer. Sechs Wochen nach der Blutvergiftung hat er sich wieder vollständig erholt.

 

Gemeinsam aktiv – Handwerksbetriebe bringen Hoffnung für die Zukunft

Die Lage im Land ist noch immer stark angespannt. Es fehlen nicht nur Fachkräfte und Materialien, auch Lebensmittel und Medikamente sind rare Güter. Eine große Zahl an Flüchtlingen und Vertriebenen macht sich im Handwerk mit eigenen Handwerksbetrieben sehr verdient.

Nur mit vereinten Kräften konnte der Mittelstand wiederaufgebaut werden. Die zurückkehrenden Soldaten, die Gräueltaten überstanden hatten; aus Kriegsgefangenschaft Freigelassene und die aus der Rüstungsindustrie wieder ins Handwerk wechselnden, verfügten über das dringend benötigte Arbeitskräftepotenzial.

Im Oktober 1946 ist Peter in der Lage, weitere Gesellen einzustellen. Mit dem 36-jährigen kompetenten Fachmann Jürgen macht er einen Glücksgriff. Aber auch der fleißige Benno gehört mit seinen 47 Jahren bislang nicht zum alten Eisen.

Gerd, der mit seinen zarten 22 Jahren froh sein konnte, von Geburt an ein steifes Bein zu haben, war vom Schlachtfeld verschont geblieben. Allerdings hatte er die Nacht vom 13. auf den 14. Februar 1945 nur knapp überlebt.

Später bezeichnete man diese Nacht als „Bombardierung Dresdens”. 773 britische Bomber überzogen die bis dahin noch unversehrte Stadt mit einem regelrechten Feuersturm. 80.000 Wohnungen wurden zerstört, das gesamte Glas der Innenstadt wurde komplett deformiert. Die Feuerwehrleute versuchten den durch die Hitze schmelzenden Asphalt der Straßen mit Unmengen an Wasser abzukühlen, um den Menschen, die aus den brennenden Häusern flohen, einen Fluchtweg offenzuhalten.

Am darauffolgenden Tag bombardierte die amerikanische Luftwaffe aus 311 Bombern die Stadt. 25.000 Menschen verloren ihr Leben. Tagelang lagen die verkohlten Leichen auf der Straße oder zwischen den Trümmern. Da Dresden keine militärische Relevanz besaß, diente diese maßlose Bombardierung lediglich dazu, die Moral der Zivilbevölkerung zu brechen.

Der noch so junge Gerd verließ am 16. Februar in absoluter Todesangst und Panik seine Heimatstadt. Nach wie vor litt unter starken posttraumatischen Störungen. Aber als Hüter der Werkstatt und Baustellen-Einrichter erfüllte er seine Aufgaben im Handwerksbetrieb.

Kurt besaß mit seinen 30 Jahren eine Schrapnellverletzung am Gesäß. Deshalb war er zwischendurch zu kleineren Pausen gezwungen, aber ansonsten leistete er eine tolle Arbeit.

Mit dem ruhigen, 52-jährigen, verheirateten Altgesellen Sven war das Team komplett. Er hatte ein gutes Händchen, die anstehenden Arbeiten unter den Männern einzuteilen und sein Handgeschick sorgte alsbald für die Anerkennung als Polier.

Im Juni 1945 besetzten die Rote Armee die Gebiete Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Ost-Berlin in Reichsdeutschland. Die alliierten Westmächte USA, England und Frankreich teilten die übrigen Regionen Reichsdeutschlands unter sich auf.

Der Winter 46/47 forderte 400.000 Opfer, die verhungerten oder erfroren. Dieser Winter wurde fortan als „Hungerwinter“ bezeichnet.

Dies war auch die Zeit der Trümmerfrauen, die von den wenigen noch verbliebenen Abrissunternehmen und Handwerksbetrieben beim Aufräumen der Städte und deren Wiederaufbau unterstützt wurden.

Es war für jeden eine fast unmenschliche Herausforderung zu überleben.

Und als wäre das alles noch nicht genug, verloren die Handwerkskammern und Innungen das Recht des Körperschaftsstatus. Stattdessen führte man die Rechtsordnung des Handwerks von 1935 wieder ein.

In den Zonen der Westmächte wurden 1947 die „Grundsätze der Handwerkspolitik” verabschiedet.

Zwar liefen die Geschäfte noch immer nicht rund, aber im Oktober 1947 war es so weit. Peters Handwerksbetrieb feierte tatsächlich sein 75-jähriges Betriebsjubiläum!

Trotz der schwierigen Versorgung organisierte er eine Firmenfeier, zu der auch Nachbarn, Freunde und Geschäftspartner geladen waren. Wie er das ganze Essen und Trinken trotz der großen Hungersnot bewerkstelligte, blieb Peters Geheimnis. An diesem Tag herrschte Fröhlichkeit in den Gesichtern aller Mitarbeiter und Gäste.

Obwohl man im Oktober 1948 die „Vereinigung der Handwerkskammern der Westzonen” und den „Handwerkertag” beschloss, kam es wenig später zum Eklat.

Im November 1948 erhielt das Handwerk in den alliierten Besatzungszonen eine deftige Ohrfeige, als man die Gewerbefreiheit festlegte. Umgehend waren alle Handwerkskammern und Innungen zu „freien Vereinen mit freier Mitgliedschaft” degradiert worden. Ein rabenschwarzer Tag für das Handwerk mitsamt seiner Handwerksbetriebe.

Die Währungsreform brachte Deutschland die „Deutsche Mark”, kurz „DM” ein. In den Besatzerzonen der westlichen Mächte hatte dieser Währungstausch spürbare Folgen. Quasi über Nacht erhielt das Geld wieder einen Wert und die Regale füllten sich wieder.

Während in der russisch besetzten Zone die Reichsmarkscheine lediglich mit Coupons beklebt wurden. Ebenso waren kleine Handwerksbetriebe eher geduldet als gern gesehen. Die Staatsführung empfand sie als notwendig, um der Gesellschaft ein Wohlgefühl zu lassen.

An den massiven Protestwellen, die daraufhin folgten, nahm auch Peter mit seinen Angestellten teil. Sie wollten ihren Unmut zeigen. Selbst die politischen konservativen Kräfte unterstützten das Handwerk in seinem Aufschrei.

Hinzu kamen die spannenden Umstrukturierungen innerhalb Reichsdeutschlands durch die vier Besatzermächte.

 

Die Deutsche Teilung fordert das Handwerk heraus

1950 geschah in Westdeutschland ein Wunder – ein Wirtschaftswunder. Deutschland rappelte sich wieder auf. Alles lief so gut, dass die Menschen, nach den vielen dunklen Jahren endlich Grund zur Euphorie hatten.

In der russischen Zone hingegen entstand das Gesetz zur Förderung des Handwerks, das die Privatgewerbe auf Kleinbetriebe beschränkte. Zudem wurden die Landeshandwerkskammern der DDR ins Leben gerufen.

Peters Sohn Heiner entschloss sich 1951, zur Überraschung aller, eine ordentliche Handwerkslehre bei seinem Vater im Handwerksbetrieb einzugehen.

Zuvor hatte er sich nicht vor den Beruf des Vaters interessiert und war von Arbeit zu Arbeit gewechselt. Woher dieser plötzliche Wandel kam, war nicht aufzudecken.

Peter und Elke hofften nur, dass es ihrem Sohn ernst mit seiner Lehre im elterlichen Handwerksbetrieb war.

Allerdings klangen die Protestwellen des Handwerks nach wie vor nicht ab.

Erst 1953 wurde durch den Bundestag das „Gesetz zur Ordnung des Handwerks” eingeführt. Dies Gesetz beinhaltete den „Großen Befähigungsnachweis” und die „Innungspflicht”. Trotz allem war das Handwerk bis in die 1960er hinein noch stark vom Nebenerwerb geprägt.

In der DDR wurden die Landeshandwerkskammern aufgelöst und zu Bezirkshandwerkskammern zwangsumgebildet. In den westlichen Besatzerzonen hingegen wurde 1953 das „Gesetz zur Ordnung des deutschen Handwerks“ beschlossen. Bereits ein halbes Jahr später war das Gesetz in Kraft.

In Peters kleinem Handwerksbetrieb genoss man den spürbaren Aufwind dieser Zeit. Dem 59-jährigen Sven starb seine geliebte Ehefrau, als sie von einem VW-Käfer erfasst wurde.

Für Sven war dieser Verlust nicht zu verkraften und so ergab er sich dem Alkohol. Betrunken konnte und wollte Peter ihn nicht länger beschäftigen, sodass er sich nach einigen unfruchtbaren Gesprächen gezwungen sah, seinen hervorragenden Polier aus seinem Handwerksbetrieb zu entlassen.

So rückte der mittlerweile 44-jährige Jürgen die Karriereleiter nach oben und übernahm Svens Aufgaben. Er war es auch, der Heiner unter seine Fittiche genommen hatte. „Sein” Lehrling erhielt 1954 den Gesellenbrief.

Inzwischen machte ihm der Beruf des Malers so viel Freude, dass er ankündigte, den väterlichen Betrieb eines Tages übernehmen zu wollen. Doch zuvor heiratete er die 18-jährige Monika. Die beiden hatten sich 1951 ineinander verliebt und sie war es auch, die Heiner dazu anhielt, in die Malerlehre bei seinem Vater zu gehen. Immerhin wollte sie einen Mann, der sie versorgen konnte. Sie war also das Geheimnis hinter Heiners damaliger Veränderung.

Die wirtschaftliche Lage blieb in den nächsten Jahren weiterhin im Aufschwung.

Der sozialistische DDR-Staat drängte seine Handwerker dazu, sich zu Produktionsgenossenschaften (PGH) zusammenzuschließen. Ohnehin konnte sich ein Privathandwerker nur selbstständig machen, wenn zuvor ein anderer Betrieb geschlossen hatte. Diese kontrollierte Wirtschaft nannte man Planwirtschaft.

Doch nicht nur dadurch erschwerte man Privatbetrieben in der DDR das Leben. So durften Privathandwerker nicht alle Arbeiten ausführen, was sie in ihrer Arbeitsleistung stark einschnitt. Mitarbeitende Ehefrauen durfte keine Lohnzahlung erhalten. Mitarbeiter erhielten weder Urlaubs- noch Weihnachtsgeld. Auf diese Art erhoffte man sich die Privatbetriebe unattraktiv zu machen. Immerhin bot die PGH durch ihre Sozialfonds unglaublich viele Vorteile für ihre Mitarbeiter.

Zudem herrschte in der DDR weiterhin Materialknappheit. Bei der Verteilung des raren Materials zogen Privathandwerker gegenüber der Volkseigenen Betriebe (VEB) den Kürzeren. Für Privathandwerker war die Materialbeschaffung enorm schwierig. Ein weiteres Hindernis bestand darin, dass es für Privathandwerker kaum Autos gab.

Um sich ein Zubrot zu verdienen, arbeiteten die Handwerker nach Feierabend noch Aufträge bei den Bürgern ab. Das so verdiente Geld brauchte nicht versteuert zu werden. Die Schwarzarbeit war vom Staat gewollt, da die PGHs ohnehin nicht alle Aufträge abarbeiten konnten. So wurde die Bevölkerung mit Reparaturen und Dienstleistungen versorgt.

Im Jahr 1958 wurde in der sowjetischen Besatzerzone das Handwerk kollektiviert und in die PGHs integriert.

Bei Peter lief hingegen alles gut. Er war sogar in der Lage, weitere Mitarbeiter einzustellen. Aufgrund der geringen Arbeitslosigkeit war es nicht leicht, passende Angestellte zu finden. Doch nach einiger Zeit konnte er seinen Betrieb mit drei Mitarbeitern erweitern.

Der 31-jährige Ralf, Norbert war 24 und Rupert 40 Jahre alt. Alle hatten bereits eine Familie. Auch im Haus von Peter stand Nachwuchs an. Seine Schwiegertochter Monika stand kurz vor der Entbindung seines ersten Enkels. Der werdende Opa war furchtbar stolz. In der Mitte des Jahres erblickte Alfons-Peter das Licht der Welt und Heiner begann die Meisterschule. Die ersten Tapeziergeräte erobern das Malerhandwerk von Wolfsburg aus.

Rund ein Jahr später, im Juni 1961, verabschiedet der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Alterssicherung im Handwerk und kurz darauf wird die Verfassungsmäßigkeit der deutschen Handwerksordnung vom Bundesverfassungsgericht bestätigt. Diese Entscheidung war ein Meilenstein in der Branche.

Der Erste, der davon profitierte, war Benno. Er ging mit seinen 60 Jahren in den wohlverdienten Ruhestand.

An seinem letzten Arbeitstag gab Peter eine kleine Firmenfeier, um sich für die hervorragenden Dienste und Leistungen bei seinem langjährigen Mitarbeiter zu bedanken. 14 Jahre hatte Benno in Peters Betrieb gearbeitet. Als er die Werkstatt ein letztes Mal verließ, hatte er Tränen in den Augen.

Doch in diesem Jahr traf die deutsche Bevölkerung ein Paukenschlag. Im August 1961 wurde die innerdeutsche Grenze mitten durch Berlin gebaut. Das geschah, da die sowjetischen Besatzer mit den westlichen alliierten Besatzermächten gewaltig im Klinsch lagen. Der Kalte Krieg brachte erneut viel Leid und Elend über das deutsche Volk.

Was bis dahin keiner je erwartet hätte, geschah wirklich und das, obwohl Walter Ulbricht, der politische Führer der DDR, zuvor noch in seiner Grußansprache am XXII. Parteitag der KPdSU beschwor: „Es hat niemand vor, eine Mauer zu errichten.”

Aber was für eine Mauer es war: Die Mauer ergänzte die bis dahin recht locker eingefasste innerdeutsche Grenze. Diese bestand bereits seit 9 Jahren.

Knallhart wurden sogar Gebäude geteilt, Fenster und Türen zugemauert. Ein 70 Meter breiter Streifen vor der Mauer galt als Todesstreifen. Er war ein einziges Hindernis aus Zäunen, Wachtürmen, Hundelaufanlagen und Betonsegmenten. Der Schießbefehl war bereits im Jahr 1960 erlassen worden. Schätzungsweise zwischen 136 und 245 Menschen, die versuchten, aus der DDR zu fliehen, wurden im Todesstreifen erschossen. Genaue Zahlen liegen nicht vor.

Familien, Freunde und Geliebte waren nun voneinander getrennt. Auch Gerd versetzte es einen herben Schlag, dass er nicht mehr in seine Heimat reisen durfte und somit von seinen letzten Verwandten, die er durch seine Flucht aus dem ausgebombten Dresden zurückgelassen hatte. Tatsächlich wurde Gerds Onkel während des Mauerbaus erschossen, als er versuchte, nach Westdeutschland zu flüchten.

Im Jahr 1963 kam das zweite Enkelkind zur Welt. Ida war ein Februarkind. Durch die Belastung der Meisterschule kam es zwischen Heiner und seiner Frau Monika immer öfter zu Streitigkeiten. Peter und Elke versuchten ihr Möglichstes, um die junge Familie zu entlasten. Ein Glück bestand Heiner die Meisterschule, woraufhin wieder mehr Ruhe zwischen dem Ehepaar einkehrte.

Eine weitere gesetzliche Neuregelung fand im Jahr 1964 statt. Die EWG-Regelung für das Niederlassungsgesetz und der für Europa nötige Dienstleistungsverkehr wurden verabschiedet. Monika brachte ihr drittes Kind zur Welt. Ihr Name war Franka.

Der Fortschritt kam in großen Schritten, weshalb bereits 1965 das Gesetz zur Änderung der Handwerksordnung vom Deutschen Bundestag verabschiedet wurde. Dadurch war es nun möglich, den technischen und wirtschaftlichen Fortschritt für das Handwerk zu schaffen.

Die nächsten Jahre verliefen im Betrieb recht ruhig. Intern gab es 1968 eine kleine Krise zwischen Jürgen und Norbert, woraufhin Norbert dem Betrieb den Rücken kehrte. Zudem war es das Jahr, in dem sich Peter mit 63 Jahren ein Stück weit aus dem Betrieb zurückzog und seinem Sohn Heiner immer mehr Verantwortung übergab.

Aber in der Handwerkswelt kam es zu einem schicksalhaften Tumult, als die Lehrlinge aufbegehrten. „Der Aufstand der Azubis“ entstand, weil einige Betriebsinhaber mit eiserner Hand ihren „Erziehungsauftrag mit Arbeitseinschlag“ zu herrisch betrieben.

Das Handwerk hatte sich ohnehin stark verändert, da Kleinindustrie und Maschinerie die Möglichkeiten der Arbeitsmittel weiterentwickelten.

Mit der größeren Verantwortung konnte Heiner nicht mehr so aktiv auf den Baustellen mitarbeiten und musste sich der Büro- und Organisationstätigkeit widmen. Aber er wusste, dass bei allen Fragen sein Vater für ihn ansprechbar war.

1969 begann ein neuer Stift seine Lehrzeit. Sein Name war Klaus und er war mit seinen 15 Jahren hoch motiviert, den Malerberuf zu ergreifen. Klaus‘ Vater war Elektriker. Doch nach einigen Probearbeiten konnte Klaus sich einfach nicht für Schaltkreise und Kabel begeistern. Aber gemalt hatte er schon immer gern.

Die ersten Monate verliefen recht gut, doch dann begann Klaus immer häufiger zu spät zu kommen. Trotz mehrerer Gespräche besserte sich sein Verhalten nicht. Hinzu kam noch, dass er sich keine Mühe mehr gab, die Malertätigkeiten ordentlich auszuführen. So hatte Klaus leider zwei Abmahnungen erhalten und die dritte war fällig.

Heiner entschloss sich, eine Gesprächsrunde mit den Gesellen einzuberufen, um zu hören, wie diese die Situation beurteilten. Sie setzten sich an einem Freitag nach Feierabend zusammen. Elke hatte für alle ein gutes Mittagessen bereitet.

Rupert, Gert und Kurt sprachen sich dafür aus, das Lehrverhältnis zu beenden, während Jürgen und Ralf für ein letztes und sehr deutliches Gespräch mit Klaus waren. Heiner, der seinen Gesellen dankbar für deren Einschätzung war, benötigte ein ganzes Wochenende, um eine Entscheidung zu treffen.

Er entschloss sich zu einem allerletzten Gespräch. So rief er Klaus gleich morgens nach dessen Ankunft im Betrieb zu sich ins Büro. Nach der Unterhaltung sollte Klaus Werkstattdienst verrichten, um für sich selbst nachdenken zu können. Stattdessen rauschte dieser aus der Werkstatt und kam nicht mehr zur Arbeit.

Auf den Betrieb hatte das kaum Auswirkungen. Die Belegschaft funktionierte ohne einen aufsässigen Lehrling viel ruhiger und entspannter. Heiner würde vorerst keinen weiteren Lehrling aufnehmen. Stattdessen erweiterte er sein Geschäft und bot nun in einem kleinen Laden Farben und Werkzeuge zum Kauf an.

In dem Geschäft setzte er den 56-jährigen Jürgen vermehrt ein, um ihn etwas von der aktiven Baustellentätigkeit etwas zu entlasten. Denn leider hatte sein Mitarbeiter immer häufiger Probleme mit Gelenkarthrose. Unterstützt wurde er zeitweise von Monika. Die beiden hatten den Laden richtig gut im Griff. Besonders Monika war froh, sich endlich mehr in den Betrieb einbringen zu können und neben ihren mütterlichen und häuslichen Aufgaben weitere übernehmen zu können.

In der Mitte des Jahres verstaatlichte die DDR die Produktionsgenossenschaften des Handwerks (PGH). Zu der Zeit waren 1.700 Betriebe und 120.000 Mitarbeiter von dieser Umwandlung in Volkseigene Betriebe (VE) betroffen.

Vier Jahre später feiert der Betrieb sein 100-jähriges Jubiläum und am selben Tag trat Peter mit 67 Jahren gänzlich als Betriebsinhaber zurück und übergab dem 37-jährigen Heiner den Betrieb. Die Presse berichtete mit großem Interesse über die fulminante Betriebsfeier.

Bereits Tags darauf verabschiedeten sich Peter und seine Frau Monika, um zu einer zweijährigen Weltreise aufzubrechen.

1973 propagandiert Bundeskanzler Ludwig Erhard in der BRD den „Wohlstand für alle“. Er möchte die soziale Marktwirtschaft einführen. Tatsächlich wird sein Antrag mit großer Mehrheit angenommen.

Alfons-Peter ist inzwischen 15 Jahre und möchte gerne im väterlichen Betrieb ein Praktikum machen, um auszuprobieren, ob der Malerberuf etwas für ihn wäre. Die ganze Belegschaft freut sich, dass der Junge in die Fußstapfen seines Vaters treten möchte.

Die Chancen für das Handwerk steigen, als die Europäische Union des Handwerks und der Klein- und Mittelbetriebe (UEAPME) gegründet wird.

Tatsächlich hat das Praktikum Alfons-Peter so sehr begeistert, dass er nach seinem Schulabschluss seine Lehre im elterlichen Betrieb freudestrahlend beginnt. Seine Großeltern dehnen ihre Weltreise weiter aus, da sie im warmen Thailand noch länger verweilen möchten.

Bereits im Februar 1976 wird eine Wende in der DDR Handwerkspolitik eingeleitet. Der Rat der Minister beschließt eine „Förderung privater Einzelhandelsgeschäfte, Gaststätten und Handwerksbetriebe für Dienstleistungen”, um zukünftig eine „Verbesserung der Versorgung der Bevölkerung“ zu erzielen.

Nur ein Jahr später stimmt das SED-Zentralkomitee den Versuchen zu, indem sie versuchen, Maßnahmen zu beschließen, die dem Handwerk zugutekommen sollen. Schließlich muss der Anstieg des Mangels an Dienst- und Reparaturleistungen unbedingt gestoppt werden.

Heiners Handwerksbetrieb läuft zwar gut, doch seine Belegschaft wird immer älter. So beschließt er, neue, junge Kräfte einzustellen. Den 22-jährigen Maik und den 23-jährigen Rudolf kann er für seinen Betrieb hinzugewinnen.

1978 steht Alfons-Peter vor seiner Gesellenprüfung. Mit Feuereifer hat er darauf hingearbeitet und alle waren zuversichtlich, dass er besteht. Doch mit dem Kummer über eine unerfüllte Liebe der Jugend hat niemand gerechnet. Alfons-Peter fällt durch die Prüfung.

Ein halbes Jahr später sieht er wieder mehr Sinn in seinem Leben und wiederholt die Gesellenprüfung. Diesmal mit Erfolg. Doch anstatt im Handwerksbetrieb seines Vaters zu bleiben, möchte er einige Zeit auf Wanderschaft gehen, um Erfahrungen zu sammeln und die Welt kennenzulernen.

Jürgen geht mit 66 Jahren in den Ruhestand über und wird mit einer gemütlichen Betriebsfeier aus dem Arbeitsleben verabschiedet. Seine Arbeit im Laden übernimmt nun Kurt mit seinen 62 Jahren, da er nicht mehr auf der Baustelle arbeiten möchte, aber sich für die Rente noch zu jung fühlt.

1979 entscheidet Heiners Tochter Ida sich im Alter von 15 für eine Ausbildung zur Krankenschwester. Ihre Eltern begrüßen den Ehrgeiz ihrer Tochter und unterstützen sie, wo sie können.

Ein Jahr später entschied sich Tochter Franka für den wundervollen Beruf der Sekretärin beim Automobilhersteller Volkswagen ins Stammwerk in Wolfsburg. Dazu verlässt sie das elterliche Nest und kommt bei einer Familie unter, die sich für die Aufnahme von zwei Lehrlingen bereit erklärt hat.

Im Jahr 1981 beendet Ida ihre Ausbildung zur Krankenschwester und heiratet den 5 Jahre älteren, angehenden Arzt Marvin.

Passend zur Hochzeit kehren die rüstigen Großeltern Peter, der inzwischen 76 Jahre alt ist und Elke mit 73 nach Deutschland zurück.

Kurt möchte nun auch mehr Zeit mit seiner wunderbaren Frau verbringen und verabschiedet sich aus dem Berufsleben.

Da Rupert mit 61 Jahren ebenfalls nicht länger im Arbeitsleben bleiben möchte, wird er drei Monate nach Kurt in den Ruhestand entlassen.

1983 gilt als das Jahr des Handwerks sowie der Klein- und Mittelbetriebe auf europäischer Ebene.

Doch auch für Franka ist es ein besonderes Jahr. Sie besteht die Prüfung und wird dem stellvertretenden Geschäftsführer Volkswagen zugeteilt. Ihre Schwester Ida wird schwanger.

Aber auch großer Schmerz legt sich über den Handwerksbetrieb, als Peter im Alter von 77 Jahren einen tödlichen Herzinfarkt erleidet und drei Tage vor Weihnachten verstirbt. Alle sind sich einig, dass die Weihnachtsfeier auch in diesem bedrückenden Jahr stattfinden sollte. Ein Bild von Peter wird mit einer schwarzen Schleife versehen und mit auf den Tisch gestellt.

Die tragischen Ereignisse wollen auch im darauffolgenden Jahr nicht abebben. Ida verliert das Kind bei der Geburt, während Franka ungewollt schwanger wird. Sie kommt mit dem Verlust nicht zurecht und verfällt in tiefe Depression. Marvin versucht sie liebevoll ins Leben zurückzuholen. Doch der Schmerz ist zu groß.

1985 bringt Franka ihren Sohn Egon zur Welt, der an Trisomie 21 leidet. Sie entscheidet sich, ihren Sohn alleinerziehend aufzuziehen, verliert allerdings zeitgleich ihre Anstellung und kehrt zu ihren Eltern zurück, wo sie als Verkäuferin im Laden des Handwerksbetriebes mithilft. Ihre Schwester Ida erträgt ihren Schmerz nicht mehr und nimmt sich mit Schlafmitteln zwei Tage später das Leben.

Der Mitarbeiter Maik gesteht, dass er schwul ist und an der „Seuche” oder fachlich Aids erkrankt ist. Sofort wird er vom Handwerksbetrieb ausgeschlossen und erhält seine Kündigung und stirbt bereits fünf Monate später.

In Deutschland kommt es vermehrt zu Diskussionen, ob man schwule Männer, Prostituierte und lesbische Frauen nicht lieber in eigene Zonen unterbringen sollte, um die Gesellschaft vor der Seuche zu schützen.

Im Jahr 1986 bestätigt das Bundesverwaltungsgericht, dass die Mitgliedschaft der Handwerkskammern beim Zentralverband des Deutschen Handwerks und darüber hinaus beim deutschen Handwerkstag absolut rechtmäßig ist.

Der Handwerksbetrieb schreitet in die Zukunft und so zieht der erste Computer ins Handwerksbüro ein – ein „Commodore C64″.

Der 62-jährige Gerd verlässt den Handwerksbetrieb.

Heiner macht sich Sorgen um den Fortbestand seines Handwerksbetriebes. Wer wird ihn weiterführen? Doch vorerst muss er sich darum kümmern, neue Gesellen einzustellen, damit er seine vielen Aufträge weiterhin abarbeiten kann.

So stellt er den kernigen und wortkargen 28-jährigen Hauke, den 30-jährigen Fabian und den eigensinnigen 25-jährigen Tobias ein.

Seine Tochter Franka und sein Mitarbeiter Rudolf haben sich ineinander verliebt und sind nun ein Paar. Rudolf behandelt den dreijährigen Egon, als wäre er sein leiblicher Sohn.

 

Mauerfall, einig Vaterland und die schwierige Lage für Handwerksbetriebe

Kurz vor dem Großereignis, das die ganze Welt bewegt, wird im Ostthüringer Handwerk mit Unterstützung der Handwerkskammer Oberfranken Bayreuth, ein Demokratisierungsprozess eingeleitet. Dieser unterliegt dem Gesetz des Handwerks vom 17.09.1953 der BRD.

9. November 1989, der Tag, an dem die Mauer fiel, die Deutschland so viele Jahre geteilt hatte. Ein wahnsinniges Ereignis, das jeden Zeitzeugen die Gänsehaut über den Körper jagt.

Anfang November 1989 existieren in der DDR nur noch 82.672 Privatbetriebe und nur noch 2.178 PGHs. Das war ein enormer Verfall, gab es 1949 noch 303.821 private Betriebe.

Schon im Dezember wird in Erfurt der erste Präsident der HWK frei gewählt.

Mitte der 1990er-Jahre treten die DDR Handwerkskammern dem Deutschen Handwerkskammertag als Gastmitglieder bei. Es dauert gerade mal einen Monat, bis das Deutsche Handwerk in Zwickau endlich wieder vereinigt ist. In nur vier weiteren Wochen gilt die Handwerksordnung der BRD auch in der DDR.  

Das Besondere war, dass dieser Zusammenschluss über eine Vollversammlung zu 100 % demokratisch entschieden wurde. Anwesend waren ehrenamtlich gewählte Vertreter der BRD und der DDR.

Außerdem wird ein europäisches Büro in Brüssel für den Zentralverband des Handwerks eröffnet.

Ralf geht mit 60 Jahren in Rente. Er war seit 1960 im Handwerksbetrieb Herberts. Ganze 30 Jahre. Natürlich wird er gebührend verabschiedet.

Elke, die Witwe von Peter, stürzt bei der Feier und bricht sich den Oberschenkelhals.

Einige Monate später steht es nicht gut um Elke. Alfons-Peter kehrt aufgrund dessen heim. Er schafft es gerade noch rechtzeitig, bevor seine Großmutter 8 Tage später stirbt. Elke wurde 81 Jahre alt.

Alfons-Peter fragt seinen Vater, ob er wieder im Handwerksbetrieb mitarbeiten könnte. Peter freut sich darüber sehr und stellt ihn umgehend ein.

Doch gerade die neuen Bundesländer (ehemals DDR) haben mit der Wiedervereinigung zu kämpfen. Es gibt unvorstellbare Arbeitslosenzahlen. Die Handwerker arbeiten zum Teil für gerade einmal 3 – 4 DM pro Stunde. Bei diesen Umständen kommen keine guten Gefühle gegenüber den alten Bundesländern (BRD) auf.

Große Firmen werden enteignet und unter neuer BRD-Leitung gesetzt, teilweise aber auch für einen Billigschleuderpreis „verkauft”.

Deshalb drängen viele in von den neuen in die alten Bundesländer und arbeiten dort häufig zu einem niedrigeren Lohn. Einige Handwerker leben in der Zeit in Baucontainern. Auch die alten Bundesländer sehen das nicht gerne, sie haben das Gefühl, ihnen wird die Arbeit weggenommen.

Gerade in den ersten Jahren der Wiedervereinigung herrscht ein heilloses Chaos, dass einen tiefen Keil zwischen die Bürger der ehemaligen DDR und den Bürgern der BRD treibt.

1993 werden 1994 Positionen der Handwerksordnung vom Bundestag novelliert.

Viele Handwerker fungierten nun als Einzelunternehmer, besser bekannt als „Ein-Mann-Unternehmen”.

In der Familie des traditionellen Handwerksbetriebs Herberts folgen wunderbare Ereignisse.

Franka, die inzwischen 28, ist und der 40-jährige Mitarbeiter Rudolf sind seit einigen Jahren ein Paar. Franka wird schwanger. Doch heiraten wollen beide nicht. Sie brauchen keinen Trauschein in diesen modernen Zeiten. Da sind sie sich sicher.

Bereits ein Jahr darauf beschließt der ZDH (Zentralverband d. Deutschen Handwerks e. V.) die Daueraufgabe als einbeziehende Organisationsform.

Im Juli 1994 kommt der kleine Joachim zur Welt. Heiner, der inzwischen 58 Jahre alt ist, übergibt nun selbst immer mehr Verantwortung an seinen Sohn Alfons-Peter, der den traditionsreichen Betrieb in absehbarer Zeit vollständig übernehmen soll.

Schon 1995 liegen die ersten Handwerkszählungen in Deutschland vor. 839.000 Betriebe. 632.000 Lehrlinge von insgesamt 6,5 Millionen Beschäftigten. Die Handwerksbetriebe haben jede Menge zu tun. Es wird gebaut auf Teufel komm raus.

Ende des Jahres entschließt sich Peter, seine komplette Betriebsführung für den Handwerksbetrieb an den 34-jährigen Alfons-Peter zu übertragen.

Dessen erste Amtshandlung im neuen Jahr ist es, ein Praktikumsmädchen für drei Wochen in seinem Handwerksbetrieb aufzunehmen.

Svenja ist 16 Jahre alt und besucht die Realschule. Im Rahmen der Berufswochen müssen die Jugendlichen Praktika bei Betrieben absolvieren, für die sie sich interessieren.

Für Svenja kam nur ein Handwerksbetrieb mit langer Tradition infrage, der hauptsächlich im Privatkundensektor arbeitet. Diese Handwerksbetriebe haben die meiste Abwechslung bei ihren Aufträgen.

Peter sieht diese Entwicklung skeptisch, ebenso wie einige der Mitarbeiter. Andere finden es interessant und sind gespannt, wie es wird mit einer Praktikantin.

Tatsächlich entpuppt sich Svenja als sehr gelehrig, engagiert und geschickt. Mit ihrer humorvollen Art kommt sie gut bei den Kollegen an und kann sogar alle restlos von sich überzeugen.

Im August 1996 tritt sie ihre Lehrausbildung im traditionsreichen Handwerksbetrieb Herberts an.

1997 feiert der Handwerksbetrieb 125. Betriebsjubiläum! Zwar wird ein großer Zeitungsartikel veröffentlicht und es gibt ein kleines Abendbrot, aber eine richtige Betriebsfeier möchte Alfons-Peter nicht veranstalten. Sehr zum Bedauern seines Vaters, der auf diesen Tag regelrecht hin gefiebert hatte.

Im Februar 1998 findet die Novellierung der Handwerksordnung statt. Es gibt nun statt 127 Handwerksberufen nur noch 94. Dafür steigt die Zahl der handwerksähnlichen Gewerke von 50 auf 57 an.

Das Millennium – Aufbruch und Chancen für Handwerksbetriebe

Die Digitalisierung schreitet in kleinen Schritten voran. Die ersten Mobiltelefone kommen auf den Markt und revolutionieren die Baustellentätigkeit und die Handwerksbetriebe.

Ab sofort ist es möglich, seinen Mitarbeiter umgehend über Änderungen zu kontaktieren oder ihm Nachrichten zukommen zu lassen. Man ist nun ganztägig bequem erreichbar, das spart Zeit.

Vor dem Jahr 2000 hatte Alfons-Peters große Bedenken. Ob die Computer mit diesem Zahlensprung klarkämen, wurde öffentlich diskutiert. Man rechnete sogar mit dem kompletten Ausfall des Internets und dem Zusammenbruch sämtlicher computerbasierten Systeme.

Im Februar 2000 tritt Svenja zur Gesellenprüfung an. Ihr Handwerksbetrieb stellt ihr alle benötigten Materialien und übernimmt dafür die Kosten.

Im März steht fest, dass sie die Gesellenprüfung bestanden hat.

Kurz darauf gibt es eine neue Währung in Deutschland. Die DM (Deutsche Mark) wird gegen den Euro (EUR) gewechselt. Der große Nachteil daran: Hinter den Preisen tauschen sich DM und EUR aus, während die Löhne umgerechnet werden und um die Hälfte an Wert einbüßen. Das merken die Bürger beim Einkaufen sehr deutlich.

Im Bereich des Materials verhält es sich nicht anders. Alfons-Peter muss tiefer in die Tasche greifen. Er ist gezwungen, diese Preisentwicklung auf seine Kunden umzulegen. Diese Änderung sorgt für einen zeitweisen Einbruch des Budgets im Handwerksbetrieb.

In der Novemberwoche 7. – 11. im Jahr 2000 gibt die Handwerksorganisation Berlin eine Festveranstaltung zu ihrem 100-jährigen Bestehen.

In den nächsten Jahren wurden die Mobilfunktelefone zu Smartphones und das Internet gewann immer schneller an immer größerer Bedeutung.

Das bedeutete immense Veränderungen, auch im Handwerk und den Handwerksbetrieben. Doch bislang gelang es dem Handwerk stets Schritt zu halten und sich anzupassen.

Frankas Sohn Egon ist jetzt 16 Jahre alt. Er möchte gerne Pinsel- und Bürstenmacher werden. Tatsächlich gibt es eine Einrichtung namens Bethel, die deutschlandweit für Menschen mit Behinderung da ist, in der sie zusammenleben und einer Arbeit nachgehen können. Auch das Freizeitangebot war sehr attraktiv. So verlässt Egon sein Elternhaus.

2007 beginnt die Finanzkrise in Deutschland, die sich zu einem großen Schock auswachsen wird. Grund hierfür ist der Fall der IKB, die gerade noch gerettet werden konnte. Es folgt die SachsenLB die 2008 von der Landesbank Baden-Württemberg aufgefangen wird.

Doch es geht weiter, die Commerzbank, Landesbank HSH Nordbank, Dresdner Bank, Hypo Real Estate, Düsseldorfer WestLB und als Höhepunkt die US Investmentbank Lehmann Brothers.

Alle Zentralbanken weltweit fluteten das Finanzsystem mit liquiden Mitteln. Nur so gelang es, den größten Finanzkollaps seit den 20er-Jahren abzuwenden.

Dennoch brach die Konjunktur Deutschlands ein. Zinsen gab es fortan kaum noch. Die Einlagen sollten zwar laut Bundesregierung sicher sein, doch war dem zu trauen?

Statt zu warten und den Gewinn zu sparen, reduzierte Alfons-Peter seine Rücklagensumme seines Handwerksbetriebes und investierte in neue Technologien und Werkzeuge, um seinen Handwerksbetrieb effizienter werden zu lassen.

Der Betriebsinhaber verfolgte die Technisierung für Arbeits- und Alltagsabläufe mit großer Spannung. 2009 gehört sein Handwerksbetrieb zu den Ersten, die WhatsApp als Teil der Arbeitsorganisation einsetzen.

Seine Mitarbeiter erhalten Betriebstelefone, auf denen WhatsApp bereits installiert ist.

In Echtzeit können nun Bilder von der Baustelle zu ihm ins Büro gelangen. Telefonisch lassen sich die entsprechenden Anliegen schnell und unbürokratisch lösen. Sein Handwerksbetrieb spart damit enorm Zeit ein.

Zwar sind anfangs nicht alle Gesellen von der neuen Arbeitsmethodik begeistert, aber sie beugen sich. Je besser ihr eigener Umgang wird, umso mehr sehen sie die Vorteile.

Trotz aller Innovation gab es einen leichten Abwärtstrend im Handwerk. Zwar gab es viele Lehrstellen zu besetzen, diese blieben immer häufiger unbesetzt. Zum Glück bekommt Alfons-Peter zwei junge Menschen für den Malerberuf begeistert und kann sie in seinem Handwerksbetrieb anstellen.

Der 17-jährige Axel, der die Lehrausbildung neu beginnt, und der 25-jährige Eric, der bereits zwei Lehren abgebrochen hat und nun endlich sein Leben neu ordnen möchte, weil er Vater geworden ist.

Andere Handwerksmeister haben nicht so viel Glück. Viele Meister erzählen: „Die Jugend hat keine Lust mehr, sich die Hände schmutzig zu machen. Die wollen nur noch saubere Arbeit, am besten mit Computern und Handys. Findest du einen Azubi, kannst du dankbar sein, wenn er wenigstens pünktlich ist. Meistens arbeiten die Altgesellen und die Jugend „dillert” am Handy.”

Svenja ist sehr bemüht und versucht den Lehrlingen viel Wissen zu vermitteln. Das bleibt dem 43-jährigen Tobias nicht verborgen und er berichtet seinem Chef davon.

Alfons-Peter lädt Svenja zu einem Gespräch ein und bietet ihr an, den Ausbildereignungsschein für sie zu bezahlen. Die Mitarbeiterin ist im ersten Moment total überrumpelt. Doch nur eine Woche später stimmt sie dem Vorschlag ihres Chefs zu.

Auch Joachim, der jüngste Enkel, trifft eine Entscheidung. Er möchte nach der 10. Klasse der Realschule auf das Gymnasium wechseln. Seine Lehrer unterstützen aufgrund seiner hervorragenden Noten die Entscheidung.

2010 startet Svenjas Lehrgang bei der Handwerkskammer für den „Ausbildereignungsschein”. Der Kurs dauert 3 Monate und findet in den Abendstunden und an Samstagen statt. Alfons-Peter versucht seine Mitarbeiterin in der Zeit bestmöglich zu entlasten und verbietet ihr sogar Überstunden.

Mittlerweile arbeiten 540.000 Beschäftigte weniger im Handwerk als noch 1995. Grund dafür sind neben vielen technischen Veränderungen auch der Binnenmarkt und das immer mehr ausländische Unternehmen in Deutschland ansässig werden. Diese unterbieten die Marktpreise.

Axels Probleme in der Berufsschule werden in der Mitte des zweiten Lehrjahres massiv. Svenja versucht ihm aktiv beizustehen, doch ihre Bemühungen fruchten nicht. Axel schmeißt 2013 seine Lehre ein halbes Jahr vor der Gesellenprüfung hin.

Eric hingegen hat sich, wider aller Erwartungen, richtig gut entwickelt. Er besteht seine Gesellenprüfung und bleibt als wertvoller und geschätzter Mitarbeiter dem Handwerksbetrieb Herberts treu.

Als Joachim 2014 mit 20 Jahren das Gymnasium hinter sich lässt, beginnt er ein Studium als Ingenieur an der technischen Universität Freiberg.

Durch die Flüchtlingsströme 2015 steigt die Zahl der Billiglohnarbeitnehmer sprungartig an. Es kam zu vielen gesellschaftlichen Diskussionen und gegenständlichen Schwierigkeiten. Die ersten Bewegungen gegen die Überfremdung Deutschlands entstanden.

Es ist auch das Jahr, in dem der langjährige Mitarbeiter Rudolf mit 65 Jahren in Rente geht. Er war seit 1975 im Handwerksbetrieb. 40 Jahre! Eine beeindruckende Leistung, die Alfons-Peter mit einer schönen Feier und einem Zeitungsartikel würdigt.

Bereits 2017 sind auf den Großbaustellen kaum mehr deutsche Handwerker zu finden. Zumeist sind es die Vorarbeiter, die deutsche Muttersprachler sind. Dieser Trend war erschreckend und führte zu starkem Qualitätsverlust, da viele neue Arbeitnehmer die Materialien und Vorgehensweisen aus ihren Herkunftsländern nicht kannten.

Alfons-Peter führt weitere technische Erweiterungen in seinen Betrieb ein. Statt der ständigen Stundenzettel sollen die Mitarbeiter über ein App-Programm ihre Arbeitszeiten selbst erfassen. Einzugeben sind: Arbeitsbeginn, Anfahrt zum Kunden, Ankunft beim Kunden, Pausenbeginn, Pausenende / Weiterführung der Arbeit, Pausenbeginn, Pausenende / Weiterführung der Arbeit, Arbeitsende.

Diese detailreiche Aufzeichnung wird sofort Live an Alfons-Peters Computer übertragen und ins Buchhaltungssystem eingepflegt. So entfällt der Arbeitsschritt, alle Stundenzettel händisch ins System eintragen zu müssen.

Wie bei jeder Neuerung fühlen sich die Mitarbeiter gegängelt. Einige empfinden dieses neue System als Überwachung. Doch für Alfons-Peter ist es schlicht eine Arbeitserleichterung, die ihm wertvolle Zeit spart.

In den nächsten Jahren wird der Mangel an Auszubildenden im Handwerk deutlich spürbar. Einige Handwerksmeister versuchen neue Wege zu gehen und die sozialen Medien für sich zu nutzen. Auch Alfons-Peter bleibt am Puls der Zeit und präsentiert seinen Handwerksbetrieb auf Instagram unter: „Traditionsbetrieb Herberts – wir sorgen für Zukunft“.

Er erhält viele sehr positive Reaktionen und findet über das Medium sogar einen neuen Auszubildenden. Luke ist 19 und hat gerade das Abitur geschafft. Er möchte unbedingt Maler werden und freut sich darauf, in einem Handwerksbetrieb mit Tradition mitzuarbeiten.

 

Virus, Energiemangel und Krieg – die 2020er-Jahre verändern den Handwerksbetrieb

Ein halbes Jahr vor Lukes Prüfung im Jahr 2020 kollabiert die Welt. Ein unbekannter, vermutlich hoch ansteckender und tödlicher Virus greift um sich: „Covid-19″ oder auch im Volksmund „Corona” genannt. Schlagartig steht die Welt kopf.

Die Konsequenz ist, dass es zum wirtschaftlichen Herunterfahren Deutschlands kommt. Die sogenannten Lockdowns gelten für alle Unternehmen und Handwerksbetriebe. Selbst massive Eingriffe in das Privatleben inklusiver Grundgesetzeinschränkungen müssen die Menschen erdulden.

Alle Berufe, die ins Homeoffice verlegt werden können, sind zu derartigen Maßnahmen verpflichtet. In den Handwerksbetrieben ist dies nicht möglich. Hier gilt die FFP2-Maskenpflicht und die Impfung. Das Serum wurde kurzfristig im Eilverfahren erzeugt. Weitreichende Tests des Wirkstoffes können aufgrund der zeitlichen Eile nicht gemacht werden.

Wer keine Impfung hat, kann sich morgens auf der Baustelle unter Zeugen testen genauer gesagt muss auf Verlangen einen Coronatest aus einem Testzentrum vorlegen. Dieser ist 24 Stunden lang gültig.

Tägliches Testen ist eine Pflicht für jeden, der sich nicht der Impfung beugt.

Auch im Privaten haben ungeimpfte Menschen starke Einbußen hinzunehmen. Zeitweise werden sogar Ausgangssperren verhängt.

Das alles hat zur Folge, dass viele kleine und mittelständische Handwerksbetriebe in die Insolvenz getrieben werden.

Dies bedingt sich durch Engpässe bei Lieferketten. Auf Baustellen können aufgrund des Materialmangels die Wände nicht fertiggestellt werden.

Das betrifft auch einige Baustellen von Alfons-Peter. Was sollte der Maler arbeiten, wenn die Wände nicht standen?

Ein Glück hat Alfons-Peter viele Privatkunden, die seinen Handwerksbetrieb über diese Zeit bringen.

Im Handwerksbetrieb Herberts waren alle so weit geimpft. Mit Ausnahme von Svenja und Eric.

Dieser Umstand führte innerhalb seiner Mitarbeiter zu ungeahnten Diskussionen. Fabian konnte man nicht mehr mit Svenja oder Eric auf eine gemeinsame Baustelle schicken.

Doch auch dafür fand Alfons-Peter eine Lösung und teilte die Baustellen entsprechend auf.

Einzig die ständige Kontrolle der täglichen Corona-Tests kostet ihn unnötige Arbeitszeit, die er hätte produktiver nutzen können.

Aber sollte er seinen Mitarbeitern dafür einen Vorwurf machen? Es war ihr gutes Recht, sich nicht mit experimentellen Seren impfen zu lassen.

Seine Anweisung im Handwerksbetrieb dazu war, dass alle – ob geimpft oder nicht, sobald andere Menschen dabei waren, eine FFP2-Maske zu tragen hatten. Alfons-Peter stellte die benötigten Masken in seinem Handwerksbetrieb frei zur Verfügung. Schließlich hat er eine Fürsorgepflicht seinen Mitarbeitern gegenüber und damit ist es ihm sehr ernst.

Seinen Laden konnte Alfons-Peter nur mit intensiven Investitionen offenhalten. Er baute ein Luftaustauschsystem ein, stellte Desinfektionsspender auf, verglaste den Thekenbereich mit Plexiglas und stellte ein Schild vor dem Geschäft auf: Zutritt nur mit FFP2-Maske!

Diese Zusatzkosten zerrten einen Großteil seiner betrieblichen Rücklagen auf. Die vom Staat versprochenen finanziellen Hilfen flossen nicht.

Als allerdings im Jahr 2021 noch immer keine Besserung in Sicht war, zerbrach sich Alfons-Peter mit seinen 59 Jahren den Kopf, ob er seinen Handwerksbetrieb aufgeben sollte, da ihm einige fest vereinbarte größere Aufträge wegbrachen. Das entsprechende Material für die Vorgewerke fehlte.

Doch er wollte nicht aufgeben. Im nächsten Jahr würde sein traditioneller Handwerksbetrieb 150 Jahre alt werden!

Dieser Handwerksbetrieb hatte zwei Weltkriege und zwei Inflationen überstanden! Jetzt sollte er aufgeben? Sein Entschluss stand fest: Er würde nicht aufgeben!

2022 brach ein Krieg aus, der weitreichende Folgen für die deutsche Energiewirtschaft haben sollte, zudem traf die Regierung Entscheidungen, die diese Energiekrise weiter verschlechtern sollten.

Ein weiterer Tiefschlag war das Dieselverbot für Verbrennermotoren.

Das trifft auch Alfons-Peters Fuhrpark. Damit darf er in bestimmte Zonen nicht mehr hineinfahren, wodurch ihm weitere Kunden wegbrachen und finanzielle Einbußen im Handwerksbetrieb zu verkraften sind. Durch die letzten Jahre sind seine Rücklagen für den Handwerksbetrieb komplett aufgezehrt.

Auch der Fachkräftemangel heizt die Situation des Handwerks weiter an. Da kaum weitere Auszubildende nachkommen, reduziert sich mit jedem Handwerker, der in Rente geht oder den Beruf wechselt, die Anzahl derer, die für die Ausführung von Handwerksarbeiten qualifiziert sind.

Alfons-Peters wird seinen Handwerksbetrieb noch so lange führen, bis Joachim sein Studium beendet hat.

Anschließend möchte Alfons-Peter in Rente gehen und der Jugend die Führung des Handwerksbetriebes überlassen. In der Hoffnung, dass der traditionsreiche Betrieb weitere 150 Jahre fortbestehen wird.

Joachim wird den Handwerksbetrieb mit Innovationen und frischen Ideen in die Zukunft führen.

Da er selbst keinen Meistertitel hat, möchte er Svenja anbieten, ihr die Meisterausbildung zu finanzieren, wenn sie dafür mindestens weitere fünf Jahre im Handwerksbetrieb Herberts bleibt. Ob sie die Chance auf (Erfahre mehr über die Weiterbildung im Handwerk)

 

Fazit aus der Zeitreise durch das Handwerk

Es ist fantastisch, was dieser traditionsreiche Handwerksbetrieb seit seiner Gründung im Jahr 1872 durch Alois Herberts alles zu erzählen hat! Wie er durch alle schwierigen Zeiten hindurch gewachsen ist und den Menschen, die bei ihm gearbeitet haben, Halt und eine Aufgabe geschenkt hat.

Jetzt kannst du sicherlich verstehen, warum es so schlimm ist, wenn kleine und mittelständische Handwerksbetriebe von der Bildfläche verschwinden. Die Handwerksbetriebe haben die Aufgabe, das Gesicht der Zeit zu sein. Modetrends mit Architektur und Gestaltungselementen zu gestalten.

Zwar mag die Industrie vieles Herstellen und Erzeugen können, doch individuelle Reparaturarbeiten kann die Industrie nicht ausführen. Zudem werden die Fertigteile, die von der Industrie geliefert werden, vor Ort von Handwerkern zusammengefügt.

Fertigkeiten und Kenntnisse sind insbesondere in traditionsreichen Handwerksbetrieben von Generation zu Generation weitergegeben worden. Schon von Kindesbeinen an hat man erlebt, was es bedeutet, einen Handwerksbetrieb verantwortungsvoll zu führen und jederzeit ganz speziell anzupassen.

Das Bestreben, den Betrieb vom Vater oder Opa weiterzuführen und Voranzubringen, ist eine großartige Lebensaufgabe mit ganz speziellen Herausforderungen, die jeder weiteren Generation zuteilwird.

Natürlich wurden Techniken und Wissen während der praktischen Arbeit weitergegeben. Wenn man abends in geselliger Runde, zum Beispiel beim Abendbrot zusammengesessen hat, wurden Fragen und Probleme miteinander besprochen – auch auf diese Art wanderte das Wissen weiter.

Auszubildende profitieren ganz besonders von diesem Vorteil des „gewanderten Wissens”. Immerhin wird auch ihnen verraten, wieso etwas genau so ist oder welche Zusammenhänge zwischen Theorie und Praxis bestehen.

Für die Kunden bedeutet ein derart gewachsener Handwerksbetrieb, dass viele Menschen sich seit etlichen Jahren auf die Expertise der Mitarbeiter und des Chefs verlassen und es nicht bereut haben. Auf diese Art entsteht ein hervorragender Leumund (Ruf).

Eine intensive Kundenbindung sorgt dafür, dass der zufriedene Kunde bei zukünftigen Problemen, Fragen oder Arbeitsaufträgen auch wieder beim Handwerksbetrieb seines Vertrauens anrufen wird und das zum Teil durch die Generationen der Kunden hindurch.

Denn: macht der Handwerksbetrieb gute Arbeit beim Opa, wird er das Haus vom Enkel auch gut machen. Fragt der Freund nach einer Empfehlung, ist es klar, wessen Telefonnummer weitergegeben wird.

Zusammenhängend lässt sich feststellen, dass Handwerksbetriebe auch ein gesellschaftliches und soziales Bindeglied zwischen den unterschiedlichsten Menschen sein können.

Jetzt aber Butter bei de Fische:

Hättest du nicht auch Lust in einem so tollen Handwerksbetrieb, der über so viel Fachlichkeit verfügt und die über Generationen hinweg weitergegeben wurde zu lernen? Nicht nur das Nötigste – sondern alles, was den Handwerksberuf ausmacht? – Quasi von der Pike auf!

Lass uns das Handwerk mit all seinen Traditionen bewahren und sei auch du dabei, wenn das Handwerk zum nächsten Level aufbricht!

Handwerk 4.0 – sei dabei und lerne ein Handwerk! (Innovation und Fortschritt im Handwerk)

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